New Fake Faces

Wie werden Maschinen unsere Bildrezeption und unsere digitale Kommunikation in Zukunft beeinflussen?

“AI will probably most likely lead to the end of the world, but in the meantime, there’ll be great companies.” – Sam Altman

Dieses Zitat von Sam Altman (ein US-amerikanischer Unternehmer, Investor, Programmierer, Blogger und Vorsitzender von Y Combinator) deutet darauf hin, welche Gefahren die fortentwickelnden künstlichen Intelligenzen für das menschliche Zusammenleben mit sich bringen können.

Im Zeitalter des französischen Schriftstellers Janin Jules (1804 – 1874) wurde noch Kritik an der Fotografie ausgeübt. Es wurde darüber philosophiert, was passiert, wenn die Fotografie in der Welt ist. Jules erkannte schon damals den Drang der Menschen ihre Arbeit an Maschinen abzugeben: „Wir leben in einer einzigartigen Epoche. Wir denken heute nicht länger daran, nichts mehr selbst produzieren zu müssen, sondern wir suchen dagegen mit einer beispiellosen Ausdauer nach Mitteln, die für uns und an unserer Stelle reproduzieren.“. Dieser Satz könnte auch aus unserer Zeit stammen. Heutzutage wird weniger darum diskutiert ob Fotografie Kunst ist, denn neue Technologien lassen ganz andere Diskussionen aufkommen. Vielmehr müssen wir uns die Frage stellen, ob das Werk von Algorithmen Kunst sein kann.

Der Endgegner der Malerei und der Fotografie im Jahr 2019 lautet: Artificial Intelligence.


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Schaut man sich dieses Porträt an, denkt man, dass es sich dabei um eine ganz normale, reale Person handelt. Dabei ist diese Person in Wirklichkeit alles andere als normal, denn sie existiert nicht. Nur auf diesem Porträt. Dieses Bild wurde nämlich von einem Algorithmus erstellt. Die Technologien sind heutzutage so weit entwickelt, dass sie problemlos eine optische Täuschung, bzw. ein täuschend echtes Portrait einer fiktiven Person, erstellen können.


WIE?

Die NVIDIA Corporation, eine der größten Entwickler von Grafikprozessoren und Chipsätzen für Personal Computer und Spielkonsolen, veröffentlichte im Dezember 2018 ein Paper. „A Style-Based Generator Architecture for Generative Adverbial Networks“ erläutert, wie realistische Gesichter ganz einfach von einer KI erstellt werden können.

Photo by Maxime VALCARCE on Unsplash

Die Erstellung komplett neuer Gesichter findet seinen Ursprung in der GAN-Technologie. GAN steht für „Generative Adversarial Network“, auf Deutsch „erzeugendes generisches Netzwerk“. Die Architektur dieses Netzwerkes besteht aus verschiedenen neuronalen Netzen. Bei dieser Technologie arbeiten zwei künstliche Intelligenzen miteinander (zwei neuronale Netze), die gegeneinandergestellt werden und während des Prozesses voneinander lernen.

Der eine Algorithmus erzeugt aus verschiedenen Quellflächen (Originalbildern) ein Gesicht, das der zweite Algorithmus daraufhin in Bezug auf Realismus bewertet. Sieht das Gesicht nicht real genug aus, sendet er ein Signal an den anderen Algorithmus zurück. Dieser arbeitet dann weiter und optimiert nach jedem Signal das Gesicht. Aus diesem Grund wird das erzeugende Netz auch Generator und das bewertende Netz Diskriminator genannt. Die vom Generator verwendeten Quellflächen sind viele verschiedene Bilder von realen Menschen, die in einem Trainingsdatensatz gespeichert sind. Die künstliche Intelligenz bedient sich lediglich an Teilen der Gesichter, wie zum Beispiel Haut- und Haarfarbe, Gesichtsform, Haarform, Augen, Nase, Mund etc. und vermischt diese. Somit entsteht am Ende ein komplett neues Gesicht. Nur eine Woche dauerte es, bis die NVIDIA die künstliche Intelligenz, mit Hilfe von acht starken GPU’s (Grafikprozessoren), trainiert hatte. Nicht nur menschliche Gesichter, auch Fotos von Immobilien, Autos oder Tieren, kann die KI problemlos und in nur kurzer Bearbeitungszeit, erstellen.


Eine Frage der Zeit…

In weniger als einem halben Jahrzehnt entwickelte sich die Technologie der künstlichen Intelligenz rasant, sodass die Ergebnisse heute so real aussehen, wie noch nie zuvor. Auch beim Heranzoomen können wir mit unserem bloßen Auge den „Fake“ nicht erkennen.

Vor allem für große Unternehmen bietet die neue Technologie zahlreiche Möglichkeiten und Chancen. Das Erstellen von Videospielen, deren Charakteren oder auch das Designen von Animationsfilmen, ist in kürzester Zeit und ohne menschliche Beihilfe möglich. Für die Unterhaltungsbranche ein ganz klarer Vorteil, der die Absatzmärkte zum Steigen bringen wird.

Doch wo sich Chancen ergeben, finden sich folglich auch Gefahren. Mit Existenz dieser neuen Technologie müssen wir uns mit ihren Konsequenzen beschäftigen. Zum Beispiel müssen wir uns fragen, welche Gefahren sie für unsere Gesellschaft darstellt und wie wir uns davor schützen können! In erster Linie kann es vor allem zu Betrugsfällen in wirtschaftlichen, industriellen oder auch politischen Bereichen kommen, indem immer mehr sogenannte „Fake- News“ (Falschmeldungen) das Netz beherrschen und mit gefälschten Bildern im Internet kommuniziert wird. Wenn nun auch noch künstliche Intelligenzen Bilder oder sogar Videos von unechten Menschen erstellen können und jeder normale Mensch sich an dieser Technologie bedienen kann, wie können wir dann noch länger Reales von Gefälschtem unterscheiden? Wie können wir in einer Fake-Welt mit Fake-News und Fake-Accounts antizipieren, was wirklich real ist?

Photo by Ximena Nahmias on Unsplash

Bei genauem Studieren können Fake-News oder gefälschte Profile heutzutage noch relativ einfach enttarnt werden. Ein gründlicher Quellencheck ist nötig. Doch mit dem Lauf der Zeit und den neuen Entwicklungen wird dies immer schwieriger werden. Zum Beispiel die Methode der Google-Bilder-Rückwärtssuche, um ein falsches Bild oder Profil zu erkennen, ist mit den KI-erstellten Bildern nicht mehr möglich. Das Einzige woran wir die Bilder der künstlichen Intelligenz noch erkennen können sind, kleine Details, an denen die KI noch nicht perfekt gearbeitet hat. So kann man bei genauem Hinschauen verschwommene Hintergründe oder Härchen erkennen. Manchmal erkennt man bei einem Bild von einem Kind Falten an einer Gesichtsstelle, an der es höchstens in dreißig Jahren die ersten Falten haben dürfte.

Noch verraten kleine Details an Übergängen der Gesichter den Autor des Bildes. Allerdings entwickeln sich die künstlichen Intelligenzen so schnell weiter, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis wir selbst mit einer Lupe den Betrug nicht mehr erkennen können. Wie sollen wir irgendwann noch Informationen beurteilen können, wenn Quellenchecks schier unmöglich sind? Dann müssen wir uns entweder ganz auf unsere Intuition und unseren gesunden Menschenverstand verlassen oder wir schenken nichts mehr unseren Glauben und distanzieren uns. Und was passiert dann?

Unser Vertrauen in die Kommunikation und somit die Kommunikation selbst wird gestört!


Fernanwesenheit

Die Kommunikation der Fernanwesenheit ist heutzutage so stark wie noch nie zuvor. Denn digitale Bilder tragen zu einer zunehmenden Vergesellschaftung bei.  „So fungiert das digitale Bild als sozial anknüpfbare Benutzungsoberfläche der modernen Vergesellschaftungstechnologie, d.h. als Interface.“. Mittels Bildern bauen wir Kontakte zu anderen Menschen trotz Fernanwesenheit auf und der Austausch von Bildern weckt bestimmte Gefühle in uns. Immer seltener kommunizieren wir über Textnachrichten, sondern antworten mit einem Bild auf ein Bild.

Doch je mehr die Vergesellschaftung mittels digitaler Bilder zunimmt, desto mehr werden wir mit einer Masse an Bildern überhäuft und schließlich damit überfordert. Viele Bilder geraten dadurch schneller ins Vergessen. Auch die verschiedenen Bedeutungen der Bilder bzw. die Bildaussage wird von uns immer weniger wahrgenommen, geschweige denn interpretiert. Schon jetzt werden wird dem Deutungsanspruch der Bilder kaum noch gerecht. Wenn wir in Zukunft zusätzlich auch noch entscheiden müssen, ob wir einem Bild vertrauen oder nicht, können wir dem Deutungsanspruch noch weniger bis gar nicht mehr gerecht werden.

Photo by Derick Anies on Unsplash & by Becca Tapert on Unsplash

In einer Rede äußerte sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zu unserem Zeitalter wie folgt: „Es heißt ja neuerdings, wir lebten in postfaktischen Zeiten. Das soll wohl heißen, die Menschen interessieren sich nicht mehr für Fakten, sondern folgen allein den Gefühlen.“. Postfaktisch wird im Duden als „zu einer Entwicklungsstufe gehörend, in der die Bedeutung von Tatsachen stark abnimmt; unabhängig von Wahrheitsgehalt oder Realität“, beschrieben. Die Menschen gehen also von einer Lüge aus, die voraussetzt, dass eine Täuschung beabsichtigt wurde.

In Zukunft kann dieser Begriff also nicht nur auf Menschen, sondern ebenfalls auf künstliche Intelligenzen, bezogen werden. Es besteht zunehmend die Gefahr, dass das Internet in wenigen Jahren nur noch aus Täuschungen besteht. Der Mensch, der in einem postfaktischen Zeitalter lebt, lehnt bei einem bedrohenden, beängstigenden Gefühl neue Informationen ab. Wir werden mit riesigen Mengen an Informationen konfrontiert und es werden von Tag zu Tag mehr. Viele davon übersteigen unsere Urteilsfähigkeit. In einer „Fake-Welt“ übersteigt es diese Urteilsfähigkeit noch mehr, sodass wir komplett überfordert sein werden und uns folglich lieber davon entfernen, bzw. keine neuen Informationen mehr an uns heranlassen. In dieser schnelllebigen Zeit, in der jeder nur noch „beschäftigt“ ist, bleibt uns nicht mehr die Zeit und die Kraft uns einen fundierten Überblick zu verschaffen.

Möglicherweise hat die Kommunikation über die Fernanwesenheit ein Maximum erreicht, wonach sie aufgrund von Vertrauensverlusten in digitale Bilder, abnehmen wird. Demnach beeinflusst künstliche Intelligenz nicht nur unsere künstlerische Arbeit negativ, sondern auch unsere Kommunikation. Eventuell nimmt die Stärke unserer vergesellschafteten Kommunikation genauso ab, wie sie vor ein paar Jahren zugenommen hat. Eine Entlastung kann möglich sein, wenn die Länder eine Rechtsgrundlage für den Autor „Künstliche Intelligenz“ verabschieden und davon ausgehend ein Recht eingeführt wird das besagt, dass jegliches Material, das von KI erstellt wurde, deutlich gekennzeichnet werden muss.


Neue Künstler

Welche Auswirkungen hat die neue Technologie auf die Künstler und Fotografen unserer Zeit, wenn ab sofort eine Maschine in direkter Konkurrenz mit Ihnen steht? Auch in der Kunstbranche sorgt die neue GAN-Technologie für Aufruhr. So wurde im Jahr 2018 erstmals ein Gemälde versteigert, dessen Autor „min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]“ heißt. Versteigert wurde das Gemälde im britischen Auktionshaus Christie’s in New York. Das Gemälde, das von einem Algorithmus angefertigt wurde, trägt den Namen „Edmond de Belamy“ und zeigt einen Mann, der an einen Herrn aus dem 17. oder 18. Jahrhundert erinnert. Er trägt eine dunkle Kutte (ähnlich der eines Pfarrers) und darunter ein weißes Hemd. In der Auktion kaufte ein Bieter das Bild für rund 432.500 Dollar (380.000€). 

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Die neue Konkurrenz des Künstlers sind die Maschinen und deren Algorithmen, die die Kunst im 21. Jahrhundert neu definieren. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass auch Roboter in Zukunft Künstler sein werden und diese sogar bestimmte Rechte wie Copyright etc. erhalten werden. Auch die Fotografie wird immer mehr von Maschinen übernommen. Künstliche Intelligenzen werden gelernt, was wir Menschen als schön empfinden, damit ihre Arbeiten noch mehr nach humanem Werk aussehen. „Dem Fotograf obliegt es deshalb, ein professioneller Wissensarbeiter des visuellen kommunikativen Wissens, also des ikonischen Wissens zu sein. Denn er ist es, der per Erfahrung und Entscheidung darüber wacht, was sich in Zukunft an visuell kommunikativem Wissen zu erinnern lohnt.“Denn was die künstliche Intelligenz nicht hat, ist menschlicher Verstand und Gefühle. Deshalb ist es die Aufgabe der Künstler und Fotografen Gedächtnisarbeit zu betreiben und qualitativ wertvolle Archive zu erstellen, auf die die Menschen zurückgreifen und sich erinnern können.

Die kreativen Anwendungsmöglichkeiten der KI stellen ganz klar eine Bedrohung für uns, unser Vertrauen in Bilder und unsere Kommunikation mit diesen dar.


Ein Weckruf

Photo by Jeremy Thomas on Unsplash

Der Anfang dieser neuen Technologie sollte ein Weckruf für alle Menschen sein, die sich mit der Macht der Maschinen und deren manipulativen Art noch nicht auseinandergesetzt haben. Früher oder später werden wir alle mit dieser Technologie konfrontiert und in unserer Kommunikation bzw. der Vergesellschaftung über Fernanwesenheit, eingeschränkt werden. Es gilt diese Technologie strengstens zu überwachen und dafür zu sorgen, dass sie nicht in die Hände von Betrügern kommt.

Noch äußerte sich die NVIDIA Corporation nicht zu potentiellen Gefahren, die von der GAN-Technoogie ausgehen können. Sicher jedoch ist, dass politische Propaganda dadurch massiv beeinflusst und Weltkatastrophen verursacht werden können. Wenn wir uns damit nicht auseinandersetzen, wird das passieren, was Sam Altman hervorsagte:

„AI will probably most likely lead to the end of the world, but in the meantime, there’ll be great companies”.


-Eva

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